Heiliger Rauch zum Kauen
Es schmeckt fast nach nichts, ein wenig bitter. Klebt dafür aber stundenlang an den Zähnen und hinterlässt ein fades Gefühl im Mund. Dass man das Harz des Weihrauchbaums auch kauen kann, hätten wir nicht gedacht.
„Gegen Husten und für das Skelett“, sagt Hossein trocken. Und er macht eine kreisende Geste über seinem Bauch, um zu zeigen, dass es auch gut für Magen und Darm sein soll. Der 18-Jährige sortiert gerade einen Berg von Tüten in seinem schmalen Laden im Souq von Muscat, der Hauptstadt des Weihrauchlandes Oman. Drei Qualitäten des heiligen Klebe-Zeugs gibt es hier, Hossein hält jede von ihnen in Dosen und Tüten bereit. Die helle, beste kann man kauen und in Wasser aufgelöst trinken, bei der zweitbesten, gelblichen geht das gerade auch noch, aber die drittbeste und eher dunkelbraune lässt sich aber noch in wunderbaren Rauch verwandeln.
Qualmende Quaddelchen
Ständig qualmen die unansehnlichen Zauber-Quaddelchen auf einem Haufen Kohle in den unterschiedlichsten Schälchen in den Sternenhimmel über dem Souq in Muscats Stadtteil Mutrah. Ein überdimensionales, halbkugelförmiges Weihrauchgefäß gehört dort zu den Wahrzeichen, es thront über dem Hafen von Muscat und sieht im Dunklen so aus, als würden auch darin die Kohlen glühen. Die meisten Weihrauchbäume des Oman wachsen allerdings in Dhofar und das liegt rund 1000 Kilometer entfernt. Wir kennen diesen schweren, süßlichen Duft ihres Harzes aus katholischen Gottesdiensten, aber in Wirklichkeit haben die Ägypter mit dem „Schweiß der Götter“ schon ihren Göttern Rauchopfer dargebracht und ihre Toten mumifiziert. Ob das Gummi tatsächlich der Gesundheit frommt, haben Studien bisher nicht beweisen können. Angeblich soll es sogar Angstzustände nehmen und könnte daher einen wahren Schlaftrunk gegen Albträume darstellen. Aber wer weiß?
Duftende Kostbarkeit
Sicher ist: Eine Kostbarkeit war der reine Weihrauch nicht nur für die Heiligen Drei Könige, er ist es bis heute – Hossein verkauft ein Döschen mit 80 Gramm für drei Oman Rial (umgerechnet vielleicht sieben Euro). Im Souq gibt es Weihrauch in den unterschiedlichsten Formen und Mischungen, mit Sandelholz oder Amber, als Weihrauchöl und natürlich in Form von Parfüms, für die das Harz eine geruchliche Basis darstellt. Wer sich letztere aus großen Flacons von eilfertigen Verkäufern auf seine Arme auftragen lässt, duftet anschließend entsprechend. Aber was solls, wir sind hier ja im orientalischen Souq, also machen wir es und schnuppern zwischen den Riechtests an etwas Kaffee, um die Nase wieder auf Normalnull zu bringen.
Nach Weihrauch (oder etwas Ähnlichem) duften im Oman auch die Männer – sie tragen an ihren langen weißen Hemden eine schicke Quaste, die täglich frisch in Parfüm getaucht wird. Ach, könnte sich das manch‘ europäischer Verschwitzter als Beispiel nehmen… wie würde die Luft in unseren U-Bahnen und Konferenzräume angenehm dem Geruchssinn schmeicheln… vielleicht sollte Hossein mal ins Exportgeschäft einsteigen?
Natascha Plankermann